Wenn Hände mehr als 1000 Töne sagen

In Wolmirstedt fand erstmalig ein Gottesdienst für Hörgeschädigte statt. Ein Erlebnis auch für die "hörende" Gemeinde, welches ganz besondere Gefühle auslöste.

Seit geraumer Zeit freuten sich die Geschwister der Gemeinde Wolmirstedt auf diesen Gottesdienst und auch darauf, mehr von der Art der Kommunikation mit Gebärden zu erleben und zu sehen!

Es war eine ganz besondere Stille in der Gemeinde. Schon vor dem Gottesdienst redeten die Hörgeschädigten im Foyer intensiv miteinander, aber man hörte kaum einen Laut! Ihre geheimnisvolle Zeichensprache besteht aus Gebärden und Fingerzeichen, aber man konnte nichts entziffern. Eines jedoch konnte man erkennen: die Freude, sich zu sehen, die Freude an der Gemeinschaft und die Freude auf den Gottesdienst.

Als vor dem Gottesdienst die Orgel spielte, der Chor sang und dann das Eingangslied gesungen wurde, war es für uns Hörende kaum nachzuempfinden, dass unsere Gäste nichts von dem hören konnten! Es war eigentlich wie immer.

Doch dann begann der Gottesdienst und ganz langsam und mit unterstützenden Gebärden sprach Priester Mayet aus Hannover die einleitenden Worte: "IN …. DEM … NAMEN … GOTTES, … ", man spürte die besondere Bewegung in der Gemeinde. Für uns war plötzlich ganz klar, dass unsere Brüder und Schwestern ohne Gehör diese Möglichkeit so sehr brauchen um das Wort Gottes in einem Gottesdienst zu erleben! Bevor das Eingangslied des Chores erklang, begrüßten unsere Sänger die Gäste mit den Worten "HALLO, HERZLICH WILLKOMMEN" mit eigenen Gebärden. Die Texte der Chorlieder wurden synchron vom Gebärdenchor übersetzt.

Jedes Wort im Gottesdienst wurde in Lautsprache gesprochen und dazu gebärdet (LBG). Die Predigt war deswegen besonders langsam und mit klaren und einfachen Worten formuliert. Es war so, als dringe uns das gehörte und gesehene Wort noch viel tiefer in das Bewusstsein. Nach der ersten Predigt kannte man sogar schon einige Zeichen auswendig!

Das Zeichen für GOTT sind drei Finger der rechten Hand nach oben, für LIEBE Geschwister streicht man sich über die Wange! Viele andere Gesten und Gebärden lassen sich leicht ableiten und machten diesen Gottesdienst zu einem intensiven Erlebnis.

Priester Wolf aus Lehrte und Priester Sturm aus Stendal dienten mit, die Gebärden für diese Namen kann man sich sicher leicht vorstellen! Auch die mitdienenden Priester sprachen und gebärdeten selbst ihre Worte! Das Bußlied „GOTT IST DIE LIEBE“ wurde nur gesprochen und unter Anleitung von unserem Bruder Tobias Breitenstein von der ganzen Gemeinde gebärdet!

Zum Abschluss hatten unsere Kinder noch eine ganz besondere Überraschung. Nach einigen Wochen Vorbereitung trugen sie das Lied „WIR HABEN FREUDE ZU VERSCHENKEN“ mit eigenen Gebärden vor! Die Freude der Hörgeschädigten und auch der Hörenden war darüber sehr groß. Bei Interesse kann dieser Vortrag bei YouTube unter dem Link: http://www.youtube.com/watch?v=Ho7dWFf_cm0 gerne nacherlebt werden. Schon im Vorfeld wurde durch die örtliche Zeitung „Volksstimme“ vom 28. März 2011 ein Artikel unter der Überschrift „Ein Chor zum Sehen, nicht zum Hören“ veröffentlicht, der zu diesem besonderen Gottesdienst einlud.

Nach dem Gottesdienst blieben Gemeinde, Gäste und Hörgeschädigte mit ihren Betreuern noch zu einem gemeinsamen Imbiss zusammen. So konnten wir uns noch weiter über das Erlebte intensiv austauschen und Gemeinschaft pflegen!

jp